Freitag, 17. Juli 2015
Langfristwirkung
In den Jahren 2009/10 habe ich gefühlt unendlich viele rassismuskritische Workshops zur Vorbereitung auf das weltwärts-Programm gegeben. Die waren jeweils drei Stunden lang und hatten in der Regel 30 Teilnehmende (ausser beim ersten, da waren es 60). Diese waren wiederum ganz überwiegend frische Abiturient_innen aus westdeutschen (Klein)Städten ohne Migrationshintergrund.

Diese Workshops waren eine ziemliche Herausforderung (dazu habe ich auch geschrieben). Es war unmöglich alle Teilnehmenden zu erreichen oder Lernerfolge zu festigen. Mir war jedesmal klar, dass viele der Teilnehmenden, meinen Ansatz und die rassismuskritische Kritik blödsinnig fanden. Ich musste einsehen, dass ich mit einem drei Stunden Workshop nur wenig erreichen kann. Mein Lernziel passte ich für den Großteil der abwehrenden Teilnehmenden dementsprechend an: Die Teilnehmenden sollten lernen, dass es eine rassismuskritische Perspektive gibt (auch wenn sie sie blöd finden) und sich im Idealfall später daran erinnern und darauf zurück kommen.

Jetzt mehr als fünf Jahre später habe ich die Rückmeldung, dass das durchaus auch geklappt hat. Zum Semsterende erzählte mir ein_e Studierende_r, dass si_er bei einem meiner Vorbereitungs-Workshops war (in ihrer_seiner Erinnerung war es ein zweistündiger Vortrag und kein Workshop) und es damals völlig abwegig fand, was ich erzählte. Si_er machte sich aber ein paar Notizen über kulturell verankerte Gegensatzpaare wie Natur - Kultur, Körper - Geist, etc. Im Laufe des weltwärts-Jahr in einem afrikanischen Land bemerkte si_er, dass diese Gegensatzpaare tatsächlich hilfreich waren, um zu verstehen, was um sie_ihn herum passierte. Noah Sows Buch "Deutschland schwarz weiß" halft ihr_m dann die eigenen weißen Privilegien besser zu verstehen. Das weltwärts-Jahr bestimmte dann auch ihre_seine Studienwahl. Si_er beschäftigte sich im Studium viel mit Rassismus und entwickelte eine sehr rassismuskritische Perspektive. Als si_er dann meinen Namen im Vorlesungsverzeichnis las, war ihr_m klar, dass si_er daran teilnehmen würde.

Es war wirklich eine nette Überraschung so - in einem ganz anderen Kontext - ein Langfrist-Feedback zu meinen Workshops zu bekommen. Und noch schöner ist es zu hören, dass selbst unter den miserablen Rahmenbedingungen der weltwärts-Vorbereitungs-Workshops tatsächlich Grundlagen für spätere kritische Auseinandersetzungen gelegt werden können.

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Weltwärtsproblematik
Moin aus Mexiko :)

Könntest du ein wenig ausführlicher werden? Als gegenwärtiger weltwärtsler interessiert mich sehr, wo du da die Probleme/Schwierigkeiten siehst. Ich habe den Vortrag aus meiner Vorbereitung sehr genossen, hatte aber bei weitem nicht den Eindruck dass er Inhaltsmäßig auf Widerspruch gestoßen ist. Das kann ich mir bei dem Bewusstsein das bei den Orgas die ich erlebt habe eigentlich auch wenig vorstellen (Namentlich der ICJA, IB und FIT) da Leute ja bewusst an eine kritische Haltung rangeführt werden.

Das mag aber an einer günstigen Zusammensetzung liegen oder daran dass ich auf die für mich neuen Aspekte und meine voherige Ansicht fokusiert war, ich habe da viel neues raus mitgenommen obwohl ich auch bereits voher eine reflektierte Haltung hatte wenn ich mir das mal kurz selbst bescheinigen darf.
Vieles ist leider allerdings auch wieder aus meinem Gedächtnis verschwunden - bedauerlicherweise.

Würde mich über ein paar Takte (oder auch gern Seiten :D) darüber freuen. Material fände ich auch sehr interessant. Liebe Grüße.

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Gemeinsam mit zwei ehemaligen Teilnehmenden plane ich, einen Artikel zum Thema zu schreiben. Das kann aber noch dauern, bis der erscheint. Zu weltwärts gibt es aber bereits diverse Abschlussarbeiten und auch mindestens eine Diss. Viel davon schaut kritisch auf das Programm. Und aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass sich die meisten weltwärtser_innen sich zwar selbst ganz toll und reflektiert gefunden haben, das aber nicht bedeutete, dass sie wirklich gut mit Rassismuskritik umgehen konnten. Als Trainerin waren diese Workshops ziemlich anstrengend.

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Ich komme nicht aus einem akademischen Kontext und wüsste jetzt nicht wo ich diese Infos finden kann. Was eine Diss sein soll ist mir schleierhaft? Suche im Netz hat mich jetzt nicht gerade mit der Nase drauf gestoßen - füg doch bitte nen Link o.ä. bei, dann brauche ich mich nicht so lange ganz toll und reflektiert finden. :D

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Sorry für akademische Sprache. Diss ist die Abkürzung für Disseration und bedeutet eine Doktorarbeit (in diesem Fall von Kristina Kontzi). Da ich mich länger nicht mit weltwärts beschäftigt habe, habe ich gerade keinen Überblick über zugänglichere Publikationen. Unser Artikel muss erst noch geschrieben werden. (Ein ältererer Artikel von mir behandelt die Frage von rassismuskritischer Bildungsarbeit.)

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