Samstag, 6. Juni 2015
Leseempfehlung: Havarie von Merle Kröger
urmila, 01:46h
Das Mittelmeer. Männer versuchen es in einem Schlauchboot zu überqueren. Auf der Suche nach einem besseren Leben. Das ist ein Erzählstrang von Merle Krögers neuem Roman „Havarie“ (ariadne kriminalroman).
Es geht aber nicht nur darum. Vielmehr bringt Merle Kröger in ihrem Roman verschiedene (Lebens)Geschichten zusammen. Es gibt kein einfaches Gut und Böse. Auch die Menschen auf dem Kreuzfahrtschiff, das auf das treibstofflose Schlauchboot trifft, die Besatzung eines Frachters, der in der Nähe fährt, und die Besatzung des Seenotrettungsschiffs, das die Schlauchbootfahrenden aufnehmen soll, sind komplexe Personen und haben ihre eigene Geschichten. Sie sind mehr als nur einfach reiche Reisende, proletarische Touristen oder privilegierte Schiffsoffiziere. Ihre Geschichten werden von Merle Kröger in den verschiedenen Erzählsträngen entwickelt und verwickelt. Die historischen Bezüge gehen dabei vom Halbmondlager (zu dem Philip Scheffner und Merle Kröger den Film Halfmoon Files gemacht haben) bis zu den kriegerischen Konflikten in der Ukraine und Syrien heute. Dabei entwickeln sich diese Geschichten organisch. Trotz ihrer Vielzahl werden es nicht zu viele.
Die meisten Charaktere haben dabei auch sympathische Züge. Nur Nike, der Sicherheitschef an Bord des Kreuzfahrtschiffs, wirkt durch und durch unsympathisch. Ein Vertreter der indischen Mittelklasse, ein BJP-Anhänger und in die Pogrome gegen Muslime in Gujarat 2002 verwickelt. Und mit Urmila verheiratet, die sich um Haus und Kinder kümmert. (Das hat durchaus Anklänge an die mythologische Urmila.)
Eine spannende Lektüre. Sehr zu empfehlen.
Und ich bin schon gespannt auf den Dokumentarfilm zum Thema. Denn ‚Havarie‘ ist wie ‚Grenzfall‘ die fiktive Verarbeitung von einem realen Fall, zu dem Philip Scheffner und Merle Kröger einen Dokumentarfilm gemacht haben (der Film „Revision“) bzw. machen.
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