Dienstag, 11. August 2009
Jedes Kind
urmila, 01:54h
Keine Frage, in Indiens Bildungssystem ist viel zu kritisieren. Es ist zu begrüßen, wenn es nun Bemühungen gibt, wirklich allen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, und dass die taz darüber berichtet.
Aber warum muss taz-Autor Sascha Zastiral seinen Artikel mit Vergleichen zu Europa garnieren, die zudem eher zweifelhaft sind:
"Von einem geregelten Schulalltag, wie ihn in Europa jedes Kind kennt, sind Delhis Straßenkinder unendlich weit entfernt."
Auch europäische Straßenkinder dürften entfernt von geregeltem Schulalltag sein. (Europa umschliesst übrigens nicht nur Deutschland, sondern auch Länder, die durchaus ärmer sind und in denen es mehr Straßenkinder als in Deutschland gibt.) Und auch andere Kinder werden vom geregelten Schullalltag ausgeschlossen. In Deutschland zum Beispiel illegalisierte Kinder. In anderen europäischen Ländern gibt es jeweils spezifische Ausgrenzungen.
Die taz hat verschiedentlich auch darüber berichtet, dass Kinder, die in Deutschland nicht den Gesundheitsnormen entsprechen, regelmäßig von den Normschulen ausgeschlossen werden. Da verwundert es, dass Zastiral für Indien nun gerade ein autistisches Kind aussucht, um seine Argumentation zu stützen. Dieses Kind würde in Deutschland auch seine Probleme bekommen, in eine Normschule aufgenommen zu werden.
Zastirals Kritik richtet sich vorallem gegen die staatlichen Schulen (und das sicher auch zurecht). Den privaten gesteht er zu:
"Während die Privatschulen in der Wissensvermittlung mit europäischen Schulen durchaus mithalten können ..."
Das dürfte durchaus eine Untertreibung sein. An Privatschulen in Indien kann viel kritisiert werden (z.B. Elitismus und problematische pädagogische Konzepte, unter Umständen auch Eurozentrismus in dem vermittelten Inhalten). In der Wissensvermittlung scheinen etliche aber ziemlich gut zu sein. Schüler_innen, die ich in der Schweiz interviewte, erzählten mir, dass die Rückmigration in die Schweiz nach einem Schulbesuch in Indien kein Problem war, da sie viel weiter im Stoff waren.
Aber es geht mir gar nicht so sehr darum, ob diese Bezüge zu Europa richtig oder falsch sind. Die Frage ist, warum macht der Autor sie überhaupt. Für die Argumentation seines Artikels sind sie überflüssig. Den einzigen Zweck, den ich sehen kann, ist Europa gegenüber Indien als die überlegene Norm zu (re)produzieren. Aber weshalb?
Aber warum muss taz-Autor Sascha Zastiral seinen Artikel mit Vergleichen zu Europa garnieren, die zudem eher zweifelhaft sind:
"Von einem geregelten Schulalltag, wie ihn in Europa jedes Kind kennt, sind Delhis Straßenkinder unendlich weit entfernt."
Auch europäische Straßenkinder dürften entfernt von geregeltem Schulalltag sein. (Europa umschliesst übrigens nicht nur Deutschland, sondern auch Länder, die durchaus ärmer sind und in denen es mehr Straßenkinder als in Deutschland gibt.) Und auch andere Kinder werden vom geregelten Schullalltag ausgeschlossen. In Deutschland zum Beispiel illegalisierte Kinder. In anderen europäischen Ländern gibt es jeweils spezifische Ausgrenzungen.
Die taz hat verschiedentlich auch darüber berichtet, dass Kinder, die in Deutschland nicht den Gesundheitsnormen entsprechen, regelmäßig von den Normschulen ausgeschlossen werden. Da verwundert es, dass Zastiral für Indien nun gerade ein autistisches Kind aussucht, um seine Argumentation zu stützen. Dieses Kind würde in Deutschland auch seine Probleme bekommen, in eine Normschule aufgenommen zu werden.
Zastirals Kritik richtet sich vorallem gegen die staatlichen Schulen (und das sicher auch zurecht). Den privaten gesteht er zu:
"Während die Privatschulen in der Wissensvermittlung mit europäischen Schulen durchaus mithalten können ..."
Das dürfte durchaus eine Untertreibung sein. An Privatschulen in Indien kann viel kritisiert werden (z.B. Elitismus und problematische pädagogische Konzepte, unter Umständen auch Eurozentrismus in dem vermittelten Inhalten). In der Wissensvermittlung scheinen etliche aber ziemlich gut zu sein. Schüler_innen, die ich in der Schweiz interviewte, erzählten mir, dass die Rückmigration in die Schweiz nach einem Schulbesuch in Indien kein Problem war, da sie viel weiter im Stoff waren.
Aber es geht mir gar nicht so sehr darum, ob diese Bezüge zu Europa richtig oder falsch sind. Die Frage ist, warum macht der Autor sie überhaupt. Für die Argumentation seines Artikels sind sie überflüssig. Den einzigen Zweck, den ich sehen kann, ist Europa gegenüber Indien als die überlegene Norm zu (re)produzieren. Aber weshalb?
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lok,
Mittwoch, 12. August 2009, 03:21
Wenn Journalisten ueber Stoff in fernen Ecken der Welt schreiben, wollen sie die Inhalte "nach Hause holen" um sie so den Lesern naeher zu bringen, relevant zu machen. Journalisten glauben, ohne lokalen Bezug interessiert sich niemand fuer Geschichten in Indien. Daher die Vergleiche. Domestification of news heisst das, lernte ich kuerzlich.
Ich kann mir denken, dass der Journalist nicht bewusst Europa als ueberlegene Norm reproduzieren moechte. Das geschah vermutlich unbewusst, auch ein Zeichen dafuer wie tief verwurzelt die Vorstellung von der Ueberlegenheit "Europas" ist.
Ich kann mir denken, dass der Journalist nicht bewusst Europa als ueberlegene Norm reproduzieren moechte. Das geschah vermutlich unbewusst, auch ein Zeichen dafuer wie tief verwurzelt die Vorstellung von der Ueberlegenheit "Europas" ist.
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urmila,
Donnerstag, 13. August 2009, 00:04
Sicher nicht bewusst
Ich wollte dem Autor keine bewusste (Re)Produktion der Norm unterstellen. Das funktioniert viel eher unbewusst - und das ist gerade das problematische (wie Du ja auch schreibst).
Wenn es ein Versuch der Domestification gewesen sein sollte, dann würde ich von der taz eigentlich erwarten (oder wohl eher unrealistischerweise erhoffen), dass sie dann kritische Bezüge nach Deutschland aufzeigt und nicht diese platte Überlegenheit (re)produziert.
Wenn es ein Versuch der Domestification gewesen sein sollte, dann würde ich von der taz eigentlich erwarten (oder wohl eher unrealistischerweise erhoffen), dass sie dann kritische Bezüge nach Deutschland aufzeigt und nicht diese platte Überlegenheit (re)produziert.
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lok,
Freitag, 14. August 2009, 19:15
taz
Ja, von der taz sollte man eigentlich mehr erwarten koennen
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