Dienstag, 28. November 2023
teilnehmende beobachtung
wandbild im wartebereich der notfallaufnahme


ungeplant habe ich gestern teilnehmende beobachtung im gesundheitswesen gemacht. fahrradsturz am vormittag. abends noch schmerzen, also zum kassenärztlichen notdienst im lokalen krankenhaus. und das war auch gut, denn da konnte geröngt werden.

allerdings nur mit sehr langer wartezeit. offensichtlich mangel an pflegepersonal. die eine schwester hat noch nichtmal zeit auf die toilette zu gehen. und trotzdem habe ich 45 minuten gewartet bis sie mich aufgenommen hat. der nachtdienst war dann nicht besetzt.

danach habe ich dann vier stunden gewartet, bis ich einen arzt gesehen habe. das lag wohl daran, dass er alleine war. einen anderen habe ich zumindest nicht gesehen, aber vorallem - wie er mir erklärte - weil er nicht auf die röntgenbilder des kassenärztlichen dienstes zugreifen konnte. anderes system.

asiatische krankenschwestern habe ich nicht gesehen. ausser auf dem wandbild. aber der arzt hatte offensichtlich migrationsgeschichte. und viele der patient*innen auch, und zwar recht neue. was zusätzlichen bedarf an sprachkenntnissen hervorruft.

die teinehmende beobachtung hat ergeben: es herrscht pflegenotstand. (das hätte ich aber auch ohne diese beobachtung gewusst.)

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Montag, 20. November 2023
Deutsche Bahn
Ein kleinstädtischer Bahnhof.


Die indische Freundin ist seit Ende Oktober für ein Postdoc in Deutschland. Wir versuchen uns zu verabreden und sie schreibt mir: "This country has bad transport." und meint damit die Bahn (zu teuer, wenn schnell, zu langsam, wenn billig). Als wir uns dann verabredet haben, wünsche ich Ihr alles Gute für die Fahrt und sie schreibt nur: "Seems you need it with the Deutsche Bahn." An dem Tag hat sie Glück und kommt pünktlich an. Aber offensichtlich hat sie in der kurzen Zeit schon genug Erfahrungen gemacht, um die Unzuverlässigkeit der DB zu kennen. Letztere kann nicht mit der indischen Bahn mithalten, von der die Freundin überzeugt ist.

Ob ich die indische Bahn ganz so überlegen finde, weiss ich nicht. Vielleicht schon. Auf jeden Fall musste ich letzte Woche erleben, dass die DB wirklich sehr unzuverlässig sein kann. Ich war im Rheinland auf Archivrecherche und musste täglich mehrmals mit der Bahn fahren. Im Nahverkehr. Und das war eine Katastrophe. Anschlüsse habe ich eigentlich nur dann bekommen, wenn der Anschlusszug ausreichend verspätet war. Von 20 Minuten bis 120 Minuten Verspätung hatte ich alles dabei (und die Archivöffnungszeiten sind begrenzt ...). Ganz pünktlich war keine Verbindung - und das lag nicht am Streik. Eine Übung in Entschleunigung. Viel Zeit für den Roman.

Ich meine früher war das besser, auch auf die Gefahr sich so anzuhören wie all jene, die den alten Zeiten nachweinen. Die DB war zuverlässig. Und ich bin da Bahnfan geworden (wie meine indische Freundin in Indien). Nur für die Bahn werben kann mensch gerade nicht wirklich guten Gewissens.

Etwas beruhigt hat mich heute nur, dass die Kolleg_innen, die mit dem Auto in Lübeck waren, stundenlang im Stau gestanden haben. Da dann doch lieber Bahn.

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Sonntag, 12. November 2023
Komische Zeitung
Gestern früh klingelte es in meiner Erfurter Wohnung. Was es eigentlich nie macht. Es war die Postbotin, etwas verzweifelt: "Ich habe hier die komische Zeitung von Frau Goel und bekomme die Tür nicht auf."

Letzteres verstehe ich. Sowohl in den Weltbeziehungen als auch in meiner Unterkunft im IBZ gehen alle Türen nur mit Transponder auf. Und das funktioniert nicht immer. Am Freitag bin ich fröhlich in die zweite Etage hochgelaufen, um dann wieder runterzugehen, um den Transponder richtig zu reaktivieren. Meine Tür ging nicht auf. Und hier im IBZ stehe ich auch immer wieder länger vor Türen, bis ich sie aufbekomme.

Also hatte ich alles Mitleid mit der Postbotin. Bin zur Haustür gegangen, habe die "komische Zeitung" übernommen und ihr erklärt, wie der Transponder funktioniert. Das wusste sie nämlich tatsächlich nicht. Und ich möchte ja, dass sie meine Zeitung in meinen Briefkasten steckt. Da ist es mir lieber sie klingelt, als sie wirft die Zeitung vor die Tür. Das passiert in Berlin seit Monaten.

taz vor der Haustür


Manchmal holt ein Nachbar sie rein. Manchmal ist sie noch da, wenn wir rausgehen. Häufig ist sie weg, und jemand anders liest taz. Vielleicht auch gut für die "komische Zeitung". Beschwerden bei den Zustellenden bringen nichts, die taz landet vor der Tür. Auch wenn sie abbestellt ist, wie zur Zeit.

Ich weiss, dass der Zustellendenjob ein mieser ist. Ich weiss auch, dass das Zustellen trotzdem teuer ist. Deswegen soll die taz ja auch auf Epaper umgestellt werden. Dann ist die Zustellung zuverlässiger. Aber ich bin altmodisch, ich mag Zeitung in Papier lesen. Auf dem Tablet ist es nicht das gleiche für mich und ich lese viel weniger. Habe ich auch gerade in der taz-Umfrage geschrieben. Also bin ich froh, wenn die taz irgendwie zu mir kommt.

Als ich vor über 20 Jahren nach Hagen gezogen bin, hatte ich schon mal mit der Zustellung Schwierigkeiten. Nach ein paar Wochen meinten dann die Arzthelferinnen von unten, dass sie immer, ich weiss nicht mehr, was sie gesagt haben, es war nicht komisch, eher sowas wie ein politisches Werbeblatt wegschmeissen. Das lag wohl im Hausflur. Nachdem sie verstanden haben, dass es meine Zeitung ist, kam sie dann auch an.

Schon eine komische Zeitung.

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Dienstag, 31. Oktober 2023
Weltbeziehungen
Eröffnungsfeier des Forschungsneubaus "Weltbeziehungen"


Vor knapp zwei Wochen wurde in Erfurt der Forschungsbau "Weltbeziehungen" offiziell eröffnet. Es war eine der ersten Veranstaltungen, an der ich im Rahmen meines Fellowships teilgenommen habe.

Wie die anwesenden Ministerinnen hatte ich auch, unwissend wie ich war, angenommen, der Begriff "Weltbeziehungen" beziehe sich irgendwie auf internationale Beziehungen. In der Podiumsdiskussion mit den Chef_innen der im Gebäude angesiedelten Forschungsgruppen wurde ich dann aber eines besseren belehrt. Zu deren Ende bemerkte ein Moderator, das Gebäude sei ein in Beton gegossenes theoretisches Konzept. Und zwar von Hartmut Rosas Konzept der Welt- und Resonanzbeziehungen (siehe dazu auch die Borschüre des Forschungsbaus (pdf)).

Im Rahmen der Podiumsdiskussion erklärte Rosa sein Konzept ausführlicher. Es geht sicher auch um internationale Beziehungen, aber nicht nur. Es geht um jegliche Beziehungen eines Menschen zu sich und seiner Umwelt. Das erinnerte mich sehr an Judith Butlers Konzept des Abhängigseins von den Anderen. Und an andere gender/queer-theoretische Überlegungen zu Verbindungen, wie sie z.B. auf der Klagenfurter Tagung "Apart- Togehter - Becoming with!" 2021 diskutiert wurden. Gender kam in der 90minütigen Diskussion aber erst ganz zum Ende kurz vor. Auch andere Konzepte des in Verbindungseins wurden nicht diskutiert.

Vermutlich beim anschliessenden Empfang im neuen Forschungbau ging das Coronavirus dann eine gelungene Resonanzbeziehung mit mir ein. Zumindest von seiner Seite gelungen, denn wir teilten eine gute Woche das Bett und ich erhole mich gerade erst langsam von der Beziehung. Von meiner Seite fand ich es daher nicht so gelungen. Diese Weltbeziehung wäre ich lieber nicht eingegangen.

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Mittwoch, 18. Oktober 2023
Arbeitssicherheit
Ankündigung zur Belehrung zur Arbeitssicherheit

Einer meiner ersten Termine in Erfurt war eine verpflichtetende Online-Belehrung zur Arbeitssicherheit. Da ging es auch länger um ergonomisch richtige Arbeitsplätze.

Ich habe auch einen guten Bürostuhl. Allerdings keinen höhenverstellbaren Tisch. Und kann auch sonst die Sitzposition nicht ändern. Vorallem aber habe ich keinen installierten Computer bekommen, sondern einen leeren Schreibtisch, auf den ich mein Notebook stellen kann. Schon von dem Gedanken bekomme ich Nackenschmerzen. Also bin ich schnell losgezogen, habe eine einfache Tastatur gekauft und im Kopierraum einen leeren Karton gefunden.

Provisorischer Computeraufbau


So kann ich den Notebook-Bildschirm auf nackenschonendere Höhe bringen. In der Unterkunft benutze ich statt des Kartons eine Schüssel. Der nette Kollege vom Welcome Service hat dann sogar noch eine unbenutzte ergonomische Tastatur gefunden, so dass ich die einfache nicht mehr zwischen Büro und Unterkunft hin- und hertragen muss. Der Kollege sucht auch nach einem Bildschirm für mich. Es soll wohl klappen.

Von zwei Kolleginnen wurde ich heute derweil ganz mitleidig gefragt, ob ich den keinen Computer bekommen habe. Warum ich keinen bekommen habe, ist nicht so ganz klar. Aber warum sollten alle gleich behandelt werden?

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Dienstag, 17. Oktober 2023
Fellowship in Erfurt
Haupteingang der Universität Erfurt


Im letzten Winter war ich sechs Monate mit einem Fellowship am ICAS:MP in Delhi und habe regelmäßig gebloggt. Gestern habe ich mein ICAS:MP-Nachfolge-Fellowship in Erfurt angefangen. Mal sehen, ob ich auch dazu bloggen werde.

Es ist nicht mehr so neu wie 2001 als ich einen Monat hier bei der Friedrich-Ebert-Stiftung hospitiert habe. Damals war die Umbruchjahre 1989/90 noch recht nah. Jetzt sind sie doch schon lange her.

Forschungsbau Weltbeziehungen


Fellow bin ich hier im Max-Weber-Kolleg, das gerade in den neuen Forschungsbau Weltbeziehungen eingezogen ist. Morgen ist die offizielle Eröffnung des Gebäudes.

Internationales Begegnungszentrum Erfurt


Untergebracht bin ich aber in der historischen Altstadt, im Internationalen Begegnungszentrum. Die Wohnung ist nicht ganz so teuer wie in Delhi, dafür muss ich aber auch selbst putzen, Bett beziehen, etc. Fast wie zu hause.

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Sonntag, 24. September 2023
Alle für Verschärfungen
Alle, so scheint es fast, sind der Meinung, dass die Zuwanderung zu viel ist und wir sie daher verhindern müssen. An unseren Grenzen, nicht dort wo die Gründe der Migration sind (aufgrund von Krieg, Armut, Klimawandel, fehlenden Chancen, etc.). Also, mehr Grenzkontrollen. Festung Europa stärken. etc.

Als ob das was helfen würde. Die Migrant_innen nehmen jetzt schon die Lebensgefahr auf dem Mittelmeer und an anderen Ort der Migrationsroute in Kauf. Es ist ihnen ganz offensichtlich ernst. Und dann lässt sich Migration zwar erschweren, unmenschlicher gestalten, gar tödlich, aber nicht verhindern. Wie Werner Schiffauer schon in seiner Abschiedsvorlesung an der Viadrina vor mehreren Jahren formuliert hat. Migrant_innen finden Wege, wenn sie die finden wollen.

In der taz von gestern analysiert Christian Jakob, was passiert, wenn alle davon reden, dass die Zuwanderung gestoppt werden muss, sie aber nicht gestoppt werden kann. Mit der Übernahme der rechten Positionen, werden nur die rechten Positionen gestärkt. Wenn die Zuwanderungssteuerung versagt, dann kann sich die AfD erst recht als Retterin der Deutschen darstellen.

Also, hört auf die Verstärkung der Grenzen zu fordern, kümmert Euch darum, dass die Strukturen vor Ort gestärkt werden, um die Menschen, die kommen, aufzunehmen. Da ist viel zu tun.

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