Sonntag, 15. März 2015
Spektaktuläres Migrantenkind
In der taz.berlin schreibt Andreas Hergeth über Nasser El-A.s Prozess gegen seine Familie (sie auch diesen taz.berlin-Artikel) und stellt fest:

"Das öffentliche wie medienwirksame Coming-out eines Migrantenkinds ist immer noch spektakulär, weil ziemlich einmalig."

Und da frage ich mich, wo lebt Andreas Hergeth? Oder aber, wen definiert er als Migrantenkind? Denn ich kenne ziemlich viele Kinder von Migrant_innen, die out sind. Öffentlich. Medienwirksam zumeist nicht, das gebe ich zu. Warum auch, denn an ihrem Out-sein ist nichts besonders medienwirksames, sie sind es einfach, ohne besondere Probleme. Sind sie deshalb keine Migrantenkinder? Sind Migrantenkinder per Definition mit Problemen belastet?

Nasser El-A.s Geschichte bräuchte diesen Superlativ nicht. Sie ist erschreckend genug. Erschreckend aber auch wie wenig Hergeht Nasser El-A. ernst nimmt. Der andere taz.berlin-Artikel zitiert El-A.:

"Auch wenn er jetzt allein lebe, „bin ich immer noch ein Familienmitglied von El-A.“, sagte der 18-Jährige. Ob es umgekehrt genauso sei, wisse er nicht. "

El-A. wehrt sich also dagegen, aus der Familie ausgeschlossen zu werden, besteht darauf, weiter dazu zu gehören. Hergeth aber beginnt seinen Artikel:

"Nasser El-A. hat keine Familie mehr, dabei ist er erst 18 Jahre alt."

Hergeth will wohl seine spektakuläre Geschichte erzählen und dafür muss El-A. mit der Familie brechen. Ob er will oder nicht.

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Montag, 12. Januar 2015
Gegen Gender-Leute
Um David Berger, den Herausgeber des schwulen Magazins Männer, scheint es eine Kontroverse zu geben. Laut taz wird ihm vorgeworfen er sei "Rechtspopulist und fördere falsche Männerbilder". Diese Vorwürfe kann ich nicht beurteilen, da ich Männer nicht kenne.

Beurteilen kann ich etwas das taz- Interview, das Jan Feddersen und Enrico Ippolito mit Berger geführt haben. Das wirkt so, als ob sie Berger mal eine Gelegenheit geben wollten, sich gegen die Vorwürfe zu positionieren. Scharf gefragt, hinterfragt wird er nicht. Das passt zu einem queer.de-Text vom November, in dem Jan Federsen als Unterstützer von Berger dargestellt wird. Kritischer Journalismus würde anders aussehen.

Unmöglich macht sich Berger aber auch so im Interview:

"Ich sehe nur ein Problem damit, wenn man so tut, als ob der Kampf gegen Homophobie und Ausgrenzung gleich ist mit dem Kampf, den die Gender-Leute führen. Ich als schwuler Mann sage, ich bin froh, dass es echte Mannsbilder gibt, weil ich eben geil auf Männer bin und nicht auf irgendwelche Zwischenwesen. Ich gestehe jedem zu, so zu sein, aber ich bin froh über die Geschlechtlichkeit, ich möchte nicht, dass sich die schwule Welt in einer Unisex-Toilette auflöst. Und diese Einschätzung teilt die große Mehrheit aller schwulen Männer."

Nun bin ich natürlich eine von diesen Gender-Leuten, die Geschlecht abschaffen wollen, alle zu Zwischenwesen machen wollen, einen Feldzug für Unisex-Toiletten fechten und die armen Männer nicht mehr Männer sein lassen wollen. Da verwundert es natürlich nicht, dass ich diese Passage für problematisch halte. Das beweist wahrscheinlich nur Bergers These.

Und meine These wäre: Schwul zu sein und mehr Privilegien haben zu wollen, reicht weder aus, um strukturelle Ungleichheiten und ihre Konstruktion zu erkennen noch um solidarisch mit anderen gegen diese zu arbeiten.

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Sonntag, 2. Dezember 2012
Konservativ
Die taz zitiert in dem Artikel "CDU-Rebellen kämpfen für Homopaare" den CDU-Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak:

„Schwule und Lesben, die eine Lebenspartnerschaft eingehen, übernehmen genauso Verantwortung füreinander wie Ehepaare“, sagte Luczak am Donnerstag. „Sie leben konservative Werte.“

Genau diese Reproduktion von konservativen Werten ist ein Problem für progressive emanzipative Politik.

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Donnerstag, 22. November 2012
Pink money
In der taz interviewen Jan Feddersen und Martin Reichert die USamerikanische Historikerin Dagmar Herzog zu aktuellen Entwicklungen in den USA und dazu, ob Obamas Wahlsieg einen "Triumph für die sexuellen Bürgerrechte" bedeutet. Herzog beschreibt, wie es dazu kam, dass sich Obama für LGBT-Rechte einsetzt:

"Auf die Dauer hilft nur Power. Obama war sich ja auch lange unsicher, ob er bei dem Thema einsteigen soll. Aber dann wurde Druck auf ihn ausgeübt, und zwar von seinen finanziellen Unterstützern. „Pink Money“, zwei seiner wichtigsten Geldgeber für den Wahlkampf waren Schwule, und die haben dann gesagt: Jetzt mach mal, Obama, sonst bekommst du kein Geld. Das war der heilsame Druck. "

Heilsam hört sich das für mich gar nicht an, wenn politische Haltung durch Geld erkauft wird. Das heisst, dass nur die, die über genügend finanzielle Ressourcen verfügen, Unterstützung bekommen.

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Donnerstag, 25. Oktober 2012
Gay Business / Pinkwashing
Die taz berichtet über die Vorwürfe des Pinkwashings an israelische Politiker_innen und lässt dabei unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen.

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Freitag, 6. Juli 2012
Diversity Management
Die taz schreibt über Karriere mit Homo-Faktor und reproduziert dabei die essentialisierenden Grundlagen des Diversity Managements, z.B.

"„Wir suchen Individuen“, sagt der Banker. Schwule Mitarbeiter hätten viele Vorteile. „Sie nehmen natürlich schnell Trends auf, sind kreativ und können ihre Erfahrungen bei uns einbringen.“ Dazu kommt: Homosexuelle Mitarbeiter ziehen homosexuelle Kunden an. "

Klare Bilder darüber, wie die Schwulen so sind. Zumindest darüber, welche Schwulen als Mitarbeiter und Kunden gewünscht werden. (Und auch nicht verwunderlich, dass am Anfang des Artikels zwar von LGBT geschrieben wird, T aber gar nicht erwähnt werden und L auch kaum.)

Und auch wenn so getan wird, als ob es um die Einbeziehung von vielfältigen Erfahrungen geht. Es sind natürlich nur bestimmte Erfahrungen erwünscht, sonst wären ja auch geduldete Flüchtlinge, alleinerziehende Mütter auf Hartz IV, Menschen mit Behinderungen und andere Menschen, die in unserer Gesellschaft massive Ausgrenzungserfahrungen haben, gesuchte Mitarbeiter_innen.

Primär geht es um wirtschaftlichen Nutzen für die Unternehmen. Da sind sie auch bereit, Schwule mehr einzubeziehen, da die inzwischen das Bild der Kreativen etc. erfüllen. Machtverhältnisse und Ausgrenzungen werden aber nicht bekämpft, sondern eher noch bestärkt. So sind Schwule auch deswegen interessant, weil sie (Männer sind) und (angeblich) keine Familien haben:

"Dass Schwule und Lesben außerdem noch häufiger als Heteros keine Kinder bekommen, ihre Energie also eher auf den Job als auf die Familie richten können ist ein naheliegender Vorteil. Offen sagen will das kein Unternehmen."

Damit werden betriebliche Ausgrenzungsmechanismen weiter gestärkt. Was soll daran positiv sein?

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Dienstag, 15. Mai 2012
aber worum geht es denen?
Zum 20jährigen Bestehen schenkt die taz dem LSVD ein wohlwollendes Interview von Martin Reichert mit Jörg Steinert. Zum Ende des Interviews fragt Reichert:

"Kann der LSVD für sich in Anspruch nehmen, eine ganze Community zu repräsentieren?"

und Steinert antwortet:

"Wir setzen uns für die Interessen von Lesben und Schwulen ein, für Gleichstellung. Es gibt bestimmt Menschen, die sich nicht von uns vertreten fühlen – aber worum geht es denen?"

Ja, wo soll frau denn da anfangen, dem Herrn Steinert zu erklären, warum ich mich so gar nicht vom LSVD vertreten fühle? Weil die Homo-Ehe oder die Zulassung homosexueller Soldat_innen in der Bundeswehr für mich nicht besonders anstrebenswerte Ziele sind? (Die Homo-Ehe ist dem Interview zu Folge eine der größten Leistungen des LSVD.) Weil ich keine Lust auf rassistische Äußerungen habe, wie z.B. im Interview, wenn Steinert sagt:

"Es geht um konstruktive Ansprache, wir wollen Menschen mitnehmen, die Homosexualität ablehnen. Deshalb arbeiten wir auch gezielt an Schulen mit einem hohem Anteil türkischsprachiger und arabischer Schüler. Viele dieser Jugendlichen hatten bislang keine Möglichkeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Weil ich auch klassistische Aussagen problematisch finde, so Steinerts Behauptung:

"Homophobie gibt es überall, sie ist nur ungleich verteilt. Im Theater gibt es sie weniger als im Fußballstadion, sage ich mal …"

Und weil ich ganz offensichtlich zum Feindbild von Steinert und Reichert gehöre. Nicht nur, weil ich den Rassismus des LSVD kritisiere, sondern auch weil ich zu "gewisser Menschen, die sich auf die Queer Theory und Judith Butler beziehen" gehöre und mit so einfacher Identitätspolitik nichts anfangen kann.

Ich will nicht einfach als Lesbe mehr vom Kuchen abbekommen. Ich will, dass der Kuchen anders gebacken und gerechter verteilt wird.

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Montag, 14. November 2011
Rassistische Behauptungen
"So sinkt in den letzten Jahren die Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben wieder, vor allem bei männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund." behauptet der FDP-Politiker Michael Kauch im taz-Interview zur Magnus-Hirschfeld-Stiftung. "Hier kann die Stiftung Projekte für Toleranz und Akzeptanz unterstützen und vernetzen."

Mit solcher rassistischen Ausgrenzung wird es kaum möglich sein, "Toleranz und Akzeptanz" zu unterstützen. Ich jedenfalls habe so nicht das Gefühl, dass meine Anliegen bei der Stiftung in guter Hand wären.

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Dienstag, 2. August 2011
Beck weiß wie wir so sind
Volker Beck erklärt im taz-Interview über die Homo-Ehe wie Schwule und Lesben so sind:

"Man darf nicht pauschalisieren. Aber oft ist der Schritt besser überlegt, und zudem wissen Schwule und Lesben einfach häufiger zu trennen zwischen sozialer Treue und den Vereinbarungen, die sie gemeinsam in ihrem Sexualleben verabreden. Das verringert den Sprengstoff für Trennungen erheblich und ist letztlich realistischer. "

Gut, dass er nicht pauschalisiert. Und auch nicht nur von Schwulen spricht, sondern einfach noch Lesben dranhängt.

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Mittwoch, 27. Juli 2011
Reisewarnungen für Homos
Wie die taz berichtet, haben Bündnis 90/Die Grünen eine kleine Anfrage zu Reiswarnungen für schwule, lesbische und transsexuelle Reisende gestellt (siehe pdf). Die Forderung ist, dass die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes spezielle Warnungen zur Verfolgung von homosexuellen Handlungen geben sollen.

Mir ist bei dieser Anfrage unwohl. Ich halte es für notwendig, dass sich nicht heteronormativ-lebende Menschen mit den Ausprägungen der heteronormativen Ausgrenzung in Reiseländern auseinandersetzen. Sowohl um sich selber zu schützen, wie auch um zu verhindern, dass sie andere in Gefahr bringen. Nur glaube ich, dass ein Blick in die Gesetzesbücher da nicht wirklich weiter hilft. Die Gesetzestexte selbst geben keine Auskunft über die Implementation und die gesellschaftlichen Ausgrenzungen. So können sowohl homophobe wie liberale Gesetze nicht umgesetzt werden. Zur Einschätzung der Lage muss also ein sehr viel differenzierteres Bild eingeholt werden. Dabei muss auch betrachtet werden, inwiefern die gesetzliche und/oder gesellschaftliche Ausgrenzung auch ausländische Reisende betrifft. Denn die Implementation wird sich häufig danach unterscheiden, ob es sich um Bürger_innen des Landes oder devisenbringende privilegierte Reisende handelt. Solch ein differenziertes Bild können die Reisewarnungen kaum abbilden (insbesondere auch, da sie von Menschen aus einem Land verfasst werden, in dem Homophobie auch gesellschaftliche Normalität ist).

Unwohl ist mir wohl auch, weil die Anfrage den Eindruck auf mich macht, als ob "schwule, lesbische und transsexuelle Reisende" durch die Reisewarnungen voll umfassend informiert sein müssten und dann unbekümmert in den Urlaub fahren könnten. Da steckt mir zu sehr eine Konsumhandlung gegenüber dem Reiseland drin und zu wenig Auseinandersetzung mit diesem Land.

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