Donnerstag, 2. Oktober 2014
Crossings & Alliances?
Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung veranstaltet diesen Winter eine Veranstaltungsreihe Crossings & Alliances:

"Crossings & Alliances ist eine Veranstaltungsreihe der Hirschfeld-Eddy-Stiftung zur Menschenrechtsarbeit für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten. Der Fokus der Reihe sind Themen, die häufig vergessen werden: Es geht um Rassismus in der Menschenrechtsarbeit, um Homo- und Transphobie und die Rechte von Intersexuellen.

Gefragt wird nach den Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden der Arbeit für Lesben, Schwule, Transgender und Intersexuelle (LGBTI), der Vermittlerrolle von migrantischen Selbstorganisationen, den Machtbeziehungen im Nord-Süd-Dialog und nicht zuletzt nach den Erwartungen an Solidarität aus Europa."


Das ist eine Ansammlung von netten Worten, deren Sinn sich mir nicht ganz erschliesst. Wer vergisst die Themen (Rassismus, etc.)? Nach welchen Gemeinsamkeiten wird gefragt? Was sollen migrantische Selbstorganisationen vermitteln? Klar formuliert aber ist, dass es um Machtbeziehungen im Nord-Süd-Dialog gehen soll und über die Erwartungen (vermutlich aus dem Süden) an Europa. Das könnte spannend sein.

Wenn ich mir die Veranstaltung zu Indien anschaue, sehe ich allerdings nur eine Reproduktion von ungleichen Machtbeziehungen und die Ausblendung von Stimmen aus dem Süden. Ich kann mir vorstellen, dass Konstanze Plett, eine interessante Analyse des Gerichtsurteils macht. Wer Boris Dittrich ist weiss ich nicht. Ich weiss aber, dass es ganz viele Aktivist_innen und Wissenschaftler_innen aus Indien gibt, die sich mit diesen Fragen beschäftigen und auch Erwartungen an Solidarität aus Europa haben (z.B. Ponni Arasu oder einige von Kafila). Die Stimmen fehlen aber komplett auf der Veranstaltung. Was soll das?

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Freitag, 30. September 2011
Fehlendes Gedenken an kolonialen Völkermord in Namibia
Joachim Zeller schreibt in der taz berlin über das fehlende Gedenken in Deutschland an den Völkermord in der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika.

Die taz berichtet zudem, wie das offizielle Deutschland eine hochrangige namibische Delegation weitgehend ignoriert und dass sich die nambische Delegation nicht einfach so gefallen lässt.

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Dienstag, 28. Juni 2011
Transnationale Expert_inneneinsätze
Morgen werde ich auf der Konferenz "Vietnamese women in the context of rapid social changes" in Ho Chi Minh Stadt einen Kurzvortrag zur performativen Reproduktion von Gender halten. Die Vertreterin der mich einladenden (deutschen) Organisation habe ich gefragt, warum sie dafür eine 'Expert_in' aus Deutschland holen, es gebe doch z.B. in Indien auch ausreichend Expert_innen, die näher an Vietnam dran sind. Aus meiner eurozentrischen postkolonialen Perspektive wollte ich es problematisieren, dass 'Wissen' aus Europa geholt wird. Und das finde ich auch weiter problematisch (auch wenn ich gerade davon profitiere und dieses Privileg ausnutze).

Spannend ist aber, dass ich aus meiner deutschen Perspektive einfach angenommen habe, dass zum Beispiel Menschen aus Indien näher an Vietnam dran sind und es im Sinne von Europa provinzialisieren Sinn machen würde, sie einzuladen. Dabei bin ich mal eben über die Auseinandersetzungen, Befindlichkeiten, Hierarchien in Asien hinweggegangen. Mir wurde erklärt, dass es zum Beispiel nicht grundsätzlich einfach ist, Akzeptanz für indische Referent_innen zu finden. Deutsche Referent_innen sind akzeptabler. Das hat mit der postkolonialen Weltordnung zu tun, aber nicht nur. Die Welt ist einfach zu komplex für einfache Zuordnungen von Gut und Böse.

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Montag, 6. Juni 2011
Widerstand gegen Folgen des Kolonialismus
Ich mag Nationalismus nicht. Ich kenne mich mit Neuseeland nicht aus. Gut möglich, dass ich die Forderungen und Methoden der Maori-Nationalist_innen über die Urs Wälterlin in der taz berichtet, auch für sehr problematisch halten würde, würde ich mich auskennen mit ihnen. So kann ich aber nur über den Artikel etwas sagen. Und den finde ich problematisch. Er suggeriert, dass es kein legitimes Recht gibt, sich gegen postkoloniale Verhältnisse in Neuseeland zu wehren.

"Neuseeland hat seiner Vergangenheit in die Augen geschaut und versucht - mit je nach Regierung wechselndem Grad des politischen Willens -, früheres Unrecht wieder gutzumachen. "

Tut so, als ob es zwar etwas Unrecht gab ("oftmals gewaltsamen Kolonialisierung Neuseelands durch Großbritannien"), das ganze aber nicht so schlimm war und die noch heute wirksamen Folgen zu vernächlässigen sind:

"Noch in den Siebziger Jahren schämten sich viele Urbewohner ihrer Herkunft - ihre Kultur wurde beinahe absorbiert von jener der "Pakeha". Maori standen auf der untersten Stufe der Gesellschaft, hatten kaum politischen Einfluss und litten unter schweren sozialen Problemen. Zwar sind vor allem in den Großstädten auch heute noch viele unterprivilegiert, was Beschäftigung, Ausbildung und Gesundheit angeht. Doch Maori sind auch prominent im Parlament vertreten und genießen eine wachsende Präsenz in der Wirtschaft."

Ein Verringerung von Marginalisierung scheint ausreichend: "Maori, die früher zur Arbeitslosigkeit verdammt gewesen wären, sind heute beschäftigt, Jugendliche haben eine Ausbildung"

Ich gehe davon aus, dass es sehr schwer bzw. unmöglich ist, historische Gewalttaten wieder gut zu machen. Es kan gut sein, dass Neuseeland im Verhältnis zu anderen Ländern viel getan hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich die Methoden und Forderungen der Maori-Nationalist_innen nicht unterstützen könnte. Aber dieser Artikel wirkt auf mich verharmlosend.

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Mittwoch, 30. März 2011
Auf der Höhe von Indien
tagesschau.de berichtet über die Diskussion über Frauenquoten in Führungspositionen:

"Deutschland ist in Sachen Frauenquote ein Entwicklungsland. Für eine solche Aussage muss man nicht die üblichen Frauenrechtlerinnen bemühen, solche Sätze spricht auch die CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen: "Wir sind im internationalen Vergleich nicht gut aufgestellt, wir sind auf der Höhe von Indien.""

Was heisst das, wir sind auf der Höhe von Indien?
Welche Bilder will von der Leyen da aufrufen?
Vermutlich nicht, dass in Indien lange vor Deutschland eine Frau die Regierung geführt hat.
Vermutlich auch nicht, dass auf der kommunaler Ebene ein Drittel der Mandate für Frauen reserviert sind.
Sie meint wohl, dass wir alle wissen, dass Indien im Gegensatz zu Deutschland frauendiskriminierend ist.
So einfach kann das sein.

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Freitag, 14. Januar 2011
Hierarchie der Überschwemmungen
In dem taz-Artikel Hundttausende obdachlos:
  • 1.155 Zeichen über die Hochwasser in Australien (ohne Angaben über Todesopfer - die gab es in früheren Artikeln)
  • 622 Zeichen über Brasilien (über 360 Tote)
  • 477 Zeichen über die Philippinen (mindestens 42 Tote)
  • 159 Zeichen über Sri Lanka (mindestens 21 Tote, sonst fast keine Informationen)
Warum sind die Überschwemmungen in Australien so viel berichtenswerter als alll die anderen? Warum habe ich in den Medien bis jetzt kaum etwas von den Überschwemmungen in Sri Lanka erfahren?

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Montag, 25. Januar 2010
Bilder von Haiti
In den Berichten über Haiti (vor und nach dem Erdbeben) wird viel Aufmerksamkeit auf Gewalt, Armut, Unterentwicklung und Hoffnungslosigkeit gelegt. In der taz gab es einen Hintergrundsartikel mit dem Titel Ein Land ohne Chance. In der Printausgabe wurde dieser mit einem Bild des erfolgreichen Sklavenaufstands von 1804 bebildert. Ein Bild das mit ziemlicher Sicherheit aus der Perspektive der französischen Kolonialherren gemalt wurde: Halbnackte Schwarze erschlagen und erdolchen zivilisierte weiße Männer und Frauen. Auch im Text wird die "erste unabhängige Republik Lateinamerikas" nur wenig gewürdigt. Es wird suggeriert, dass ihr Niedergang von Anfang an programmiert war, weil die Schwarzen nicht ordentlich wirtschaften konnten (zu kleine Ländereien, Raubbau an der Natur). Erst viel später im Text kommt auch eine andere Erklärung:

"Das eigentliche Problem aber war ein Knebelvertrag mit Frankreich, mit dem sich die junge Republik 1825 die internationale Anerkennung erkaufte. Haiti verpflichtete sich dazu, für die enteigneten Plantagen eine Entschädigung von 150 Millionen Francs in Gold zu bezahlen, eine unvorstellbar hohe Summe. Haiti nahm bei Banken in den USA, Frankreich und Deutschland Kredite auf. Auch wenn der Betrag später auf 90 Millionen Francs reduziert wurde, brauchte Haiti bis 1947, um diese Schulden abzustottern. Zinsen und Tilgung fraßen 80 Prozent des Staatshaushalts auf. Selbst in wirtschaftlich stabilen Zeiten blieb nichts übrig, um eine angemessene Infrastruktur aufzubauen. Haiti wurde zum ersten Land, das in einer permanenten Schuldenkrise steckte. Im Jahr 2003 verlangte der damalige Präsident Jean-Bertrand Aristide - ohne Erfolg - die Rückerstattung der Entschädigung. Nach heutiger Rechnung wären dies knapp 22 Milliarden US-Dollar."

Nachtrag: Hier noch ein taz-Interview mti einem Katastrophenhilfe-Mitarbeiter in Haiti, der betont, dass es keine besondere Gewalt nach dem Erdbeben in Haiti gibt.

Nachtrag 30.01.10: Eine spannende Analyse und Hintergründe zu Haiti bringt ein taz-Interview mit Ned Sublette.

In einem anderen taz-Interview begründet der Sprecher von UNICEF Deutschland, warum Adoptionen für Haiti keine Hilfe sind.

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Dienstag, 2. Juni 2009
Kolonialismus
Letzte Woche war ich auf einer Konferenz zu Jugend, Religion und Migration in Zürich. Schlaue Menschen haben da versucht, darzustellen wie zur Analyse dieses Themenkomplexes (post)koloniale Zusammenhänge betrachtet werden müssen. Einige der 'weißen' Wissenschaftler_innen konnten damit sehr wenig anfangen. Der schwarze Nachtpförtner in unserem Hotel hingegen hat bei einer unserer Diskussionen um 2 Uhr früh von sich aus den Bezug zum Kolonialismus gezogen. Ganz offensichtlich verfügt er über einen anderen Wissensschatz als einige der 'weißen' Wissenschaftler_innen.

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Mittwoch, 8. April 2009
Werbetexter_innen
haben wirklich einen doofen Job. Immer wieder müssen sie tolle Namen und Kampagnen für gar nicht so neue Produkte entwickeln. Da scheint der Griff zum Sexismus, Rassismus oder Kolonialismus immer wieder nahe liegend. Zum Beispiel wenn ein Name für Schokoeis mit Vanilleeis gefunden werden muss. So kann eine Eiskreation nicht heissen. Da nennt die Werbetexter_in sie doch lieber Safari Afrika. Mir als Konsumentin erschliesst sich der Zusammenhang mit Afrika zwar nicht, dafür aber der kolonial-rassistische Bezug.

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Keine Entwicklungshilfe
Die taz berichtet (und auf tagesschau.de war es auch eine kleine Nachricht), dass sich afrikanische Ökonom_innen gegen Entwicklungshilfe ausgesprochen haben. Ich bezweifele, dass ich den Argumenten der Ökonom_innen in allem zustimme, aber die Frage, wem Entwicklungshilfe nutzt, finde ich sehr berechtigt.

Entwicklungshilfe ist eine Fortsetzung des Kolonialismus, womit zum einen ökonomische und politische Interesse des Westens verfolgt werden und zum anderen der Anschein des Sorgens um die als Entwicklungsländern definierten Länder gepflegt wird. Die ungleichen Machtverhältnisse und der ungleiche Zugang zu Ressourcen in der Welt wird beibehalten und gleichzeitig kann der Westen behaupten, er kümmere sich doch mit Entwicklungshilfe (und die fehlende Entwicklung sei nur Schuld der jeweiligen korrupten Eliten).

Wichtiger als das gönnerhafte Verteilen von Entwicklungshilfe wäre es, die Förderung der westlichen Wirtschaften auf Kosten der Länder des globalen Südens (Subventionen, Protektionismus, etc.) abzubauen.

Nachtrag 13.05.09: In der Le Monde diplomatique bespricht Dieter Neubert James Shikwatis Plädoyer gegen die Entwicklungshilfe. Shikwati scheint einen ganz marktliberalen Ansatz zu haben und zu meinen dass die ökonomischen Probleme von afrikanischen Ländern durch individuelle Leistung behoben werden können. Das finde ich durchaus zweifelhaft, weil es ungleiche Machtverhältnisse in der Welt ignoriert. Immerhin plädiert er aber auch für die freie Mobilität von Menschen:

"Ergänzt werden müsste die Handelsfreiheit durch freie Reise- und Migrationsmöglichkeiten ..."

Neubert kritisiert Shikwatis Marktrhetorik - da kann ich ihm zustimmen. Er reproduziert aber auch weitgehend die Entwicklungsrhetorik und geht auch nicht auf ungleiche Machtverhältnisse nicht ein. Da wird er für mich problematisch und noch problematischer, wenn er Shikwati unter anderem mit folgenden Argument abwerten will:

"Ein dritter Grund für die Aufmerksamkeit, die Shikwati entgegengebracht wird, liegt in seiner Herkunft. Kritik an Entwicklungshilfe gewinnt an Gewicht, wenn sie aus Afrika selbst kommt, also von jemandem, der eigentlich dankbar sein müsste für die erwiesene Hilfe."

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