Mittwoch, 14. Januar 2015
Muslim, schwarz, Flüchtling, Mitarbeiter, Retter
In ihrem Bericht über die Mahnwache gestern in Berlin schreibt die taz berlin:

"Aymam Mazyek, Generalsekretär des ZMD, sagt auf dem Pariser Platz: "Wir alle sind Deutsche - Juden, Christen und Muslime". Explizit bezieht er sich auf jenen Mitarbeiter des jüdischen Kaufhauses in Paris, einen muslimischen, schwarzen Flüchtling aus Afrika, der die Leben vieler Geiseln rettete, indem er sie im Kühlraum versteckte."

Aiman Mazyek sprach von Lassana Bathily, einem Angestellten des koscheren Supermarktes, der mehrere Einkaufende versteckte und ihnen damit möglicherweise das Leben gerettet hat (siehe taz-Porträt). An dieser Figur lässt sich zeigen, wie unzulänglich einzelne Zuschreibungen sind, um eine Person zu charakterisieren.

Hervorgehoben wurde in der Berichterstattung besonders, dass Bathily Muslim ist. Die Medien fanden dies wohl besonders berichtenswert, weil er Jüd_innen rettete in einem jüdischen Supermarkt. Zum einen wurde damit das Bild Muslim gleich Terrorist gebrochen, zum anderen wurde aber die Differenz muslimisch und jüdisch betont und implizit auch eine Verwunderung über Bathilys Tat transportiert (im Sinne von: von einem Muslim hätte man das nicht erwartet).

Hervorheben hätte man auch können, dass er schwarz ist. Wie der Terrorist im Supermarkt. Auch Schwarze sind also nicht alle gleich.

Oder man hätte betonen können, dass er Flüchtling ist und lange Zeit ohne legalen Aufenthaltstitel in Frankreich gelebt hat. Dass er die Arbeitsstelle im jüdischen Supermarkt bekommen hat, hat ihm erst ermöglicht, zum Retter zu werden. Daraus könnte man schliessen, alle Menschen müssen legalsiert werden und ihnen ein Zugang zum Arbeitsmarkt geschaffen werden. Oder nicht?

Oder man könnte fragen, ob diese Kateogrisierungen für ihn und seine Tat entscheidend sein. Vielleicht sind andere Identitäten oder Einstellungen, zum Beispiel politische, relevanter für ihn. Ihm taz-Porträt wird er zitiert:

"Dass er mit seinem geistesgegenwärtigen Verhalten jüdische Mitmenschen vor dem Zugriff eines antisemitischen Killers geschützt hat, hält er nicht für etwas Außergewöhnliches. "Es geht nicht um Juden, Christen oder Muslime", sagte Bathily. "Wir sind Brüder." "

Vielleicht sind für ihn diese Zuschreibungen gar nicht so wichtig. Vielleicht doch. Die Dichotome Berichterstattung in den Medien (islamistische Terroristen vs. westliche Gesellschaft, Muslime vs. Jüd_innen, etc.) können die komplexe Realität auf jeden Fall nicht abbilden.

Auch die Todesopfer waren in vielerleiweise vielfältig: zumindest Karikaturisten, Polizist_innen, Angestellte, Weiße, Schwarze, Juden, Muslime. Es waren auch Frauen darunter (sowohl in der Redaktion wie bei den Polizist_innen). Unter den Toten sind so einige Andere der westlichen Gesellschaft. Die Terroristen haben unterschiedslos gemordet, ihnen scheint es egal gewesen zu sein, wer unter den Opfern ist. Vermutlich hatten sie ein einfaches Weltbild: wir und nicht-wir. Aber auch die Öffentlichkeit betrauert vor allem bestimmte Zuschreibungen: Karrikaturisten, Polizisten und Juden. Die anderen fallen auch hier unter den Tisch. Wer bei dem simplen Weltbild Wir und die Anderen mitmacht, trägt zur Polarisierung der Gesellschaft mit bei.

Damit nochmal zurück zu Aymam Mazyek. Wenn er sagte "Wir alle sind Deutsche - Juden, Christen und Muslime" war das bestimmt inklusiv gemeint. Ich fühle mich aber nicht mit gemeint. Ich gehöre keiner Religion an. Und auch nicht alle in Deutschland können bzw. dürfen sich als Deutsche fühlen.

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