Freitag, 28. August 2015
Ein Werk der Politik
Johannes Voggenhuber kommentiert auf derstandard.at, dass die Toten im Lastwagen nicht ein Werk der Schlepper sondern der Politik sind:

"Dieses Grauen ist das Werk einer Politik, die das Schlepperwesen erst hervorgebracht hat. Diese rechtlose Politik, die in ihrer Abschreckungswut jeden Fluchthelfer und jegliche Fluchthilfe kriminalisiert, ohne die doch Flucht niemals in der Menschheitsgeschichte gelingen konnte, diese Politik und nichts anderes treibt die Verzweifelten in die Fänge der Schlepper."

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Donnerstag, 27. August 2015
Arbeitsmigration


tagesschau.de berichtet, dass viele Migrant_innen aus der EU nach Großbritannien kommen. Bei unserer Wanderung durch die Cotswolds konnten wir dies auch beobachten. Insbesondere in den Bussen wurden alle möglichen Sprachen gesprochen. Und das von Menschen, die so aussahen, als ob sie gerade von der Arbeit kamen.

In Bourton-on-the-Water sprach uns der Fisch & Chips-Verkäufer an, wo wir denn herkämen. Auf unsere Rückfrage erklärte er , er käme aus der Slowakei (so wie auch sein Kollege). Und besser als in der Slowakei sei sein Job in Bourton alle mal. Für Europas Wirtschaft sah er schwarz. Uns gab er gratis eine Extra-Portion Ketchup (und nicht Vinegar).

Auf BBC One wurde derweil berichtet, dass es zu viel illegale Migration nach Großbritannien gäbe und die Regierung dagegen vorgehen wolle.

Die Ablehnung gegen die EU machte auch ein Souvenirladen in Moreton-in-Marsh deutlich:

An einem Souvenierladen in den Cotswolds.


Den Laden boykottieren konnten wir nicht. Er hatte nicht nur geschlossen, sondern auch wirklich nichts, was wir hätten kaufen wollen.

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Nicht Pack
Gerade werde jene Menschen, die gegen nach Deutschland flüchtende Menschen hetzen oder sie angreifen, als Pack, Dumpfbacken oder ähnliches bezeichnet. Es ist richtig Position gegen rassistische Taten zu beziehen, aber es ist gefährlich Rassismus als Dummheit abzutun. Rassismus ist eine Perspektive auf die Welt, sie erklärt die Welt und gibt Handlungsanweisungen. Rassismus hat nichts mit Dummheit zu tun, sondern eher mit Ethik, Wertvorstellungen und Wertschätzungen. Rassistische Einstellungen spiegeln sich in unserer Gesetzgebung, in Instiutionen, Medienberichtersattungen, etc. wieder. Die offene Hetze, die gerade stattfindet, ist ein Ergebnis davon, kommt aus der Mitte der Gesellschaft und muss daher auch dort bekämpft werden. Politker_innen sollten nicht von Pack reden, sondern ihre eigene Politik überdenken und sich für eine solidarischere Welt einsetzen.

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Donnerstag, 27. August 2015
Nachrichten
Kolonialbau in den englischen Cotswolds


Gut zwei Wochen BBC One-Nachrichten bedeutet, weitgehend abgeschottet von (welt)politischen Ereignissen zu sein. Viel Informationen zu A-Level und GCSE-Examen. Viel zum Absturz bei einer Flugshow und etwas über den britischen Helden im Thalys. Etwas auch über die Abschottungspolitik Großbritanniens. Und dann letztes Wochenende kurz Bilder aus Deutschland. Ausschreitungen vor einem Real. Mehr nicht.

Zurück in Deutschland, dann der Wunsch ganz schnell wieder von Nachrichten abgeschnitten zu sein. Nichts mitzubekommen vom staatlichen Versagen, von rassistischen Ausschreitungen und deutscher Abschottungspolitik.

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Freitag, 7. August 2015
Zwischenruf
Ich habe einen ersten Zwischenruf für das Gunda-Werner-Institut geschrieben. Zur Debatte um #merkelstreichelt.

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Donnerstag, 6. August 2015
Behinderungen im Öffentlichen Nahverkehr
Karlsruhe ist bekannt für seinen ausgesprochen guten Öffentlichen Nahverkehr. Mit der Straßenbahn kann mensch direkt in den Schwarzwald fahren. Wenn nicht gerade eine Böschung befestigt werden muss und deshalb ein Schienenersatzverkehr eingesetzt wird. So fuhr ab Bad Herrenalb nur ein Bus.

Eine Bad Herrenalberin schob ihr Faltrad in den Bus und wollte es platzsparrend an der Wand befestigen. Das verhinderte aber der Busfahrer. Keine Räder im Bus. Falträder müssen gefaltet werden. Da halfen auch ihre Einwände nicht, sie hätte mit dem Verkehrsverbund telefoniert und dieser hätte ihr versichert, dass da sie als Gehbehinderte auf das Rad angewiesen sei und es damit ein Behindertenfahrzeug sei, sie dieses auch im Bus mitnehmen dürfe. Sie dürfe sogar ihr Dreirad mitnehmen. Der Busfahrer zeigte sich nicht beeindruckt, ignorierte auch ihren Behindertenausweis. Irgendeine andere Frau wedelte mit einem Papier, dass aussagte, Räder dürften nicht mitgenommen werden. So machte sich die Bad Herrenalberin daran mit etwas Mühe ihr Rad zu falten.

Gefaltetes Rad im Schienenersatzverkehr


Damit war der Busfahrer zufrieden. Auch wenn das Rad jetzt viel mehr Platz einnahm als vorher. Auch wenn es jetzt durch die Gegend rutschte und gefährlicher war. Auch wenn die Bad Herrenalberin jetzt viel mehr Streß mit ihrem Rad hatte als nötig. Beim Umstieg in die Straßenbahn bat sie uns, die Bahn solange anzuhalten, bis sie mit dem Rad da sei.

Wie sie das Rad in die Straßenbahn bekommen hat, ist mir unklar, denn das ist ganz schön steil:

Eingang zur Straßenbahn in Karlsruhe


Sie hat es aber geschafft. Nur fuhr die Bahn zu schnell an und sie fiel neben ihr Rad. Mit Hilfe von anderen Fahrgästen konnte sie sich mit Mühe wieder aufrichten.

Karlsruhe hat ein gutes Nahverkehrssystem. Aber es hat so einige Barrieren für Menschen, die nicht so ganz gut zu fuß sind.

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Sonntag, 19. Juli 2015
Arbeitssuchend
Ich habe zur Zeit eine befristete Anstellung. Die läuft im Herbst aus. Also habe ich mich arbeitssuchend gemeldet. Und jetzt muss ich die ganzen bürokratischen Schritte durchlaufen. Gerade sollte ich mein Bewerberprofil online ausfüllen. Ganz viele Drop down-Menus und ganz selten mal, dass der Begriff, der für mich passen würde, dabei war. Frei lassen ging aber auch nicht. Also habe ich mir kreativ irgendwelche Berufsbezeichnungen ausgesucht und im Freitext dann geschrieben, dass die nicht passen und ich eigentlich xy gewesen bin. Dann sollte ich Stellengesuche formulieren. Irgendwie fand ich es aber nicht sinnvoll zu schreiben "Sehr geehrte Leser_in, ich such eine Anstellung als Professorin, wenn sie eine offene Stelle haben, schicke ich Ihnen gerne mein Bewerbungsunterlagen." oder "Sehr geehrte Leser_in, ich möchte mich für Drittmittelförderung bewerben, wenn Sie Geld zu vergeben haben, dann melden Sie sich doch bitte bei mir.". Mal sehen, wie das weitergeht.

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Freitag, 17. Juli 2015
Langfristwirkung
In den Jahren 2009/10 habe ich gefühlt unendlich viele rassismuskritische Workshops zur Vorbereitung auf das weltwärts-Programm gegeben. Die waren jeweils drei Stunden lang und hatten in der Regel 30 Teilnehmende (ausser beim ersten, da waren es 60). Diese waren wiederum ganz überwiegend frische Abiturient_innen aus westdeutschen (Klein)Städten ohne Migrationshintergrund.

Diese Workshops waren eine ziemliche Herausforderung (dazu habe ich auch geschrieben). Es war unmöglich alle Teilnehmenden zu erreichen oder Lernerfolge zu festigen. Mir war jedesmal klar, dass viele der Teilnehmenden, meinen Ansatz und die rassismuskritische Kritik blödsinnig fanden. Ich musste einsehen, dass ich mit einem drei Stunden Workshop nur wenig erreichen kann. Mein Lernziel passte ich für den Großteil der abwehrenden Teilnehmenden dementsprechend an: Die Teilnehmenden sollten lernen, dass es eine rassismuskritische Perspektive gibt (auch wenn sie sie blöd finden) und sich im Idealfall später daran erinnern und darauf zurück kommen.

Jetzt mehr als fünf Jahre später habe ich die Rückmeldung, dass das durchaus auch geklappt hat. Zum Semsterende erzählte mir ein_e Studierende_r, dass si_er bei einem meiner Vorbereitungs-Workshops war (in ihrer_seiner Erinnerung war es ein zweistündiger Vortrag und kein Workshop) und es damals völlig abwegig fand, was ich erzählte. Si_er machte sich aber ein paar Notizen über kulturell verankerte Gegensatzpaare wie Natur - Kultur, Körper - Geist, etc. Im Laufe des weltwärts-Jahr in einem afrikanischen Land bemerkte si_er, dass diese Gegensatzpaare tatsächlich hilfreich waren, um zu verstehen, was um sie_ihn herum passierte. Noah Sows Buch "Deutschland schwarz weiß" halft ihr_m dann die eigenen weißen Privilegien besser zu verstehen. Das weltwärts-Jahr bestimmte dann auch ihre_seine Studienwahl. Si_er beschäftigte sich im Studium viel mit Rassismus und entwickelte eine sehr rassismuskritische Perspektive. Als si_er dann meinen Namen im Vorlesungsverzeichnis las, war ihr_m klar, dass si_er daran teilnehmen würde.

Es war wirklich eine nette Überraschung so - in einem ganz anderen Kontext - ein Langfrist-Feedback zu meinen Workshops zu bekommen. Und noch schöner ist es zu hören, dass selbst unter den miserablen Rahmenbedingungen der weltwärts-Vorbereitungs-Workshops tatsächlich Grundlagen für spätere kritische Auseinandersetzungen gelegt werden können.

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