Sonntag, 30. November 2014
Die Debatte um das X
Selten schaffen es Überlegungen aus den Gender Studies in die Mainstream-Medien. Seit einiger Zeit aber berichten alle mögliche Medien (u.a. Spiegel Online, Die Welt, Kölnische Rundschau, FAZ, Funkhaus Europa, Zeit, nochmal Die Welt, RBB) über einen Vorschlag sprachlich die Zweigeschlechtlichkeit nicht zu reproduzieren: das X. Diese Medienaufmerksamkeit ist aus mehreren Gründen interessant.

Warum schiessen sich die Medien gerade auf diesen Vorschlag ein? Ist es weil er Zweigeschlechtlichkeit in Frage stellt? Daran alleine kann es nicht liegen, denn es gibt auch andere Interventionen aus den Gender Studies, die dies tun. Die Sprachintervention Gender Gap hat keine ähnliche Aufmerksamkeit bekommen. Dieser Vorschlag muss noch etwas anderes haben. Liegt es daran, weil viele Menschen den Vorschlag für so extrem halten? Weil er aus einer professoralen Position gemacht wurde? (Wobei letzteres in der Wissenschaft nichts besonderes ist.)

Die Medienaufmerksamkeit wird auf jeden Fall benutzt, um gegen die Gender Studies allgemein (und speziell Lann Hornscheidt) zu hetzen. In einem offenen Brief an die Humboldt Universität wurde von Maskulinist_innen/ Anti-Feminst_innen die Absetzung von Hornscheidt gefordert. Dieser Aufruf reiht sich in eine Reihe solcher Kampagnen gegen Wissenschaftler_innen in den Gender Studies ein (siehe z.B. Stellungnahme der Fachgesellschaft Gender) und ist Teil einer höchst problematischen Entwicklung. Bei der Jahrestagung der DGS gab es dazu eine Veranstaltung mit dem Titel Genderismus. Gegen solche Kampagnen, die sich gegen einzelne Wissenschaftler_innen (und dadurch gegen die gesamte kritische Wissenschaft) richten, muss klar Position bezogen werden. Sie richten sich gegen die Forschungsfreiheit genauso wie gegen eine (geschlechter)gerechtere Welt.

Die Debatte um das X ist also Teil einer generelleren Entwicklung. Die Medienöffentlichkeit ist hier allerdings besonders groß. Und sie ist sehr unreflektiert. Es wird so getan, als ob die Gender Studies diesen Vorschlag gemacht haben. Es wird nicht dargestellt, dass es sich zwar um einen Vorschlag aus den Gender Studies handelt, aber durchaus nicht um einen, der innerhalb der Gender Studies eine verbreitete Anerkennung hat. Damit wird die thematische und theoretische Vielfalt der Gender Studies ignoriert.

Viele Journalist_innen, die die Hatz gegen die Gender Studies im Allgemeinen bzw. Hornscheidt im Speziellen, (zu Recht) verabscheuen, scheinen zu meinen, dann auch den Vorschlag ganz ok finden zu müssen. Eine Debatte über verschiedene sprachlich inklusivere Umgangsweisen wird nicht geführt. So schaffen es die rechten Hetzer_innen Positionen fester zu schreiben als sie sind.

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